Schnellere Formulierungsentwicklung

Artikel vom 11. Juli 2023
Labor
Schema des Versuchsaufbaus mit Doppelschneckenextruder und Online-Rheometer (Bild: Fraunhofer LBF).

Schema des Versuchsaufbaus mit Doppelschneckenextruder und Online-Rheometer (Bild: Fraunhofer LBF).

Bei Kunststoffen finden Autooxidationsprozesse z. B. während der Schmelzeverarbeitung statt. Durch das Einbringen von Antioxidantien lassen sich die Oxidationsvorgänge zielgerichtet verlangsamen. Bisher musste der optimale Anteil an Antioxidantien in langwierigen Versuchsreihen ermittelt werden. Die online-rheologische Untersuchung ist eine vielversprechende Methode, um den Entwicklungsprozess zu beschleunigen.

Charakterisierung bereits während der Compoundierung

Handelsübliche Neuware-Kunststofftypen sind ab Werk mit Stabilisatorpaketen aus zwei Antioxidantien gebrauchsfertig ausgerüstet. Bei der Entwicklung neuer Kunststoffcompounds muss vor dem Hintergrund von Ressourcenschonung und Wirtschaftlichkeit die optimal hinzuzufügende Menge an Verarbeitungsstabilisatoren gezielt ermittelt werden. Ebenso bei Altkunststoffen in Wertstoffströmen, die zur Herstellung von Rezyklaten eingesetzt werden. Hier sind die Stabilisatoren in unterschiedlichem Maß verbraucht. Für die Compoundierung des Mahlguts zu Rezyklaten und deren Weiterverarbeitung, z. B. im Spritzgießprozess, kommt es darauf an, die Stabilisatoren in Anteilen genau passend zu den Kunststofftypen und deren Alterungszustand zuzudosieren. Bisher werden Compounds mit unterschiedlichen Anteilen der Antioxidantien in Form von Konzentrationsreihen hergestellt. Diese werden dann mittels verschiedener Tests, z. B. der Messung der Volumenfließrate (MVR, DIN 1133-1), offline charakterisiert. Belastbare Ergebnisse erhält man somit erst nach dem Compoundierschritt.

Forschende am Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF verfolgen den Ansatz, bereits während der Compoundierung online die Schmelze zu charakterisieren, um sofort Aussagen über die Wirksamkeit der aktuellen Stabilisatorzugabe zu gewinnen. Hierzu werden mit einem Online-Rheometer, welches hinter den Schneckenspitzen an einen Doppelschneckenextruder angeflanscht ist, die Fließkurven sowohl der Scher- als auch der Dehnviskosität gemessen. Erste Untersuchungen wurden an einem wenig stabilisierten Neuware-Polypropylen (PP) durchgeführt. Dabei wurde für ausgewählte Drehzahlen die Menge an zudosiertem Stabilisator variiert. Der verringerte prozessbedingte Abbau spiegelte sich sofort in einem Anstieg der Viskosität in den Fließkurven wider. Ab einem bestimmten Additivanteil kam es zu keiner weiteren Viskositätszunahme. Damit waren für die vorliegenden Prozessbedingungen die Grenzkonzentration des Stabilisators erreicht, oberhalb derer sich keine weitere Verbesserung erzielen lässt.

Mittels Online-Rheologie erhalten Compoundeure daher unmittelbar Informationen zur Auswirkung eines Prozessstabilisators. Hinzu kommt, dass sich die Fließkurven zwischen den einzelnen Kunststoffen unterscheiden, sie beinhalten somit einen höheren Informationsgehalt als der einzelne numerische Wert einer MVR-Messung. Zusätzlich können die Fließkurven der Dehnviskosität mit in die Auswertung einbezogen werden. Mittels eines entsprechenden KI-gestützten Systems bietet die Online-Rheologie das Potenzial für eine chargenangepasste Nachstabilisierung in Echtzeit bei der Rezyklatgewinnung.

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