Von der CAD-Zeichnung zum Werkstück mit nur einem Klick
Branchensoftware
Der deutsche CAD/CAM-Softwareentwickler Schott Systeme GmbH ist kein Unbekannter in der Kunststoff verarbeitenden Industrie. Seit 40 Jahren nutzen Anwender die CAD/CAM-Software des Unternehmens zum Beispiel für die Herstellung von Kunststoffspritzgießwerkzeugen, für die Gestaltung und Bearbeitung von Displays und Verpackungen sowie für das 5-Achs-Beschneiden von thermogeformten Bauteilen.
Wie viele moderne Fertigungsunternehmen sind auch Kunststoffverarbeiter mit immer kleineren Losgrößen, enormem Kostendruck und einem zunehmenden Fachkräftemangel konfrontiert, was auch einen deutlich höheren Automatisierungsgrad erfordert.
Aus diesen Gründen hat die Schott Systeme GmbH ihre neue »CAMsmart«-Technologie für die automatisierte Bearbeitung entwickelt. Damit werden die CAM-Vorbereitungszeiten typischer mehrseitiger, prismatischer Werkstücke − beispielsweise Displays, Kunststoffprototypen, Präzisionskunststoffkomponenten, Formaufbauten und Vorrichtungen − im Vergleich zu früheren CNC-Bearbeitungsmethoden mindestens um den Faktor 10 reduziert.
Der gesamte Fertigungsprozess wird mit der integrierten, objektorientierten Interpreter-Sprache der CAD/CAM-Software »Pictures by PC« gesteuert, bleibt aber für den Benutzer jederzeit vollkommen offen und gliedert sich in einige wenige Arbeitsschritte.
Datenimport, Tolerierung und Ausrichtung
Ein Schwerpunkt der »CAMsmart«-Automatisierung ist die Möglichkeit, jedes prismatische 3D-CAD-Volumenmodell zu bearbeiten − unabhängig davon, aus welchem CAD-System es stammt. Mittels Feature-Erkennung werden die BREP-Volumenmodelle (Boundary Representation) direkt aus den neutralen Datenformaten STEP, SAT und IGES analysiert sowie benutzerspezifischen Bearbeitungsstrategien zugeführt. Alternativ können die Werkstücke auch mit dem Hybridmodellierer (Volumen, Fläche, Masche) von »Pictures by PC« eigenständig konstruiert werden.
Um sicherzustellen, dass die endgültige Komponente alle Toleranzanforderungen einhält − insbesondere bei CAD-Modellen, die im Nennmaß importiert wurden −, erleichtert der Modellierer der CAD/CAM-Software die Vornahme von Änderungen direkt an den importierten Volumenkörpern (Flächenoffset, Verschiebung, Neigung etc.). Selbst bei komplexen Modifikationen helfen die Analysewerkzeuge der Software, gruppierte Flächen einfach auszuwählen, auf die Toleranzen angewendet werden sollen, zum Beispiel Taschenseitenflächen.
Alternativ ist die manuelle Anwendung der Toleranzen auf einzelne CAM-Bearbeitungen möglich.
Da importierte Geometrien häufig unterschiedlich orientiert angeliefert werden, bietet »CAMsmart« die automatische Ausrichtung der CAD-Teile an, um sie auf der CNC-Maschine richtig zu positionieren. Gewöhnlich wird die längste Kante des prismatischen Bauteils gegen die X-Achse und die linke obere Ecke des Werkstücks auf den Nullpunkt ausgerichtet. Eine individuelle Positionierung ist jederzeit möglich.
Geometrieanalyse und Technologiezuweisung
Selbst am Beispiel der einfachsten Formplatten für Kunststoffspritzgießwerkzeuge kann ein Bauteil eine Vielzahl prismatischer Merkmale wie Löcher, zum Beispiel für Auswerfer, Führungen oder Kühlkanäle, und Taschen für Kavitäten oder Schiebersysteme aufweisen. All dies erfordert eine Bearbeitung aus mehreren Richtungen mit unterschiedlichen Bearbeitungsstrategien und Werkzeugen. Hier kann »CAMsmart« die Programmierzeiten stark verkürzen und gleichzeitig die Bearbeitungskonsistenz verbessern.
Dabei wird das Volumenkörpermodell unter anderem auf Planflächen, Taschen, Fasen, Bohrungen sowie konvexe und konkave Abrundungen analysiert. Den Geometrieelementen werden danach im CAM-System geeignete Bearbeitungsstrategien zugeordnet, die bewährten Technologiedefinitionen des Anwenders entstammen, aber auch individuell nacheditiert werden können.
Diese Zuweisung von CAM-Bearbeitungen wird durch eine vollständig anpassbare Bearbeitungslogik bestimmt, die im Mittelpunkt der Automatisierung steht. Diese Logik identifiziert die Geometrie und wählt geeignete Bearbeitungen in Bezug auf deren Größe, zum Beispiel Taschenabmessung, Eckenradien, Bohrlochdurchmesser oder Farbzuordnung aus, zum Beispiel Blau = Gewindebohrung, Grün = Bohrung mit H7-Passung. Können speziellen Merkmalen keine Strategie oder geeignete Werkzeuge aus der Werkzeugliste zugeordnet werden, wählt die Software diese passend zur Geometrie selbstständig aus. Ein solcher Bearbeitungsschritt bedarf natürlich der Nachrüstung.
Durch eine klar definierte Logik können Anwender sicherstellen, dass die bestmöglichen Bearbeitungsstrategien, Werkzeug- und Schnittparameter für das gesamte Teilespektrum oder für jedes Material ausgewählt werden. Beispiele für unterschiedliche Bearbeitungsanforderungen sind Präzisions-Kunststoffprototypen aus POM, ABS und Nylon im Vergleich zu Formteilen aus härteren Werkzeugstählen.
Simulation, Prüfung, Vorbereitung und Produktion
Bevor das Werkstück tatsächlich auf der Maschine gefertigt wird, sollte die Bearbeitung per optischer Simulation geprüft werden. Basis der Simulation ist das Rohmaterial, das entweder automatisch entsprechend der Teilegröße als Rechteck oder Rundmaterial bzw. manuell generiert wurde und dann schrittweise abgetragen wird. Darüber hinaus können einzelne Geometrieelemente wie Taschen, Bohrlöcher oder Fasen am CAD-Modell ausgewählt und simuliert werden (Pfadsimulation).
Wichtig sind auch automatisierte Prüfungen, um Bereiche am Teil anzuzeigen, die nicht mit den erforderlichen Toleranzen bearbeitet wurden (Restmaterial), oder Bereiche, in denen ein Werkzeugweg zu einer Kollision mit dem Teil führen würde.
Bevor das Teil gefertigt wird, erzeugt »CAMsmart« zunächst von allen Seiten die notwendigen Bearbeitungsmethoden − als ob das Werkstück quasi frei in der Luft schwebt. Da die Bearbeitungsschritte sehr stark von den technischen Gegebenheiten der jeweiligen Maschine abhängen, zum Beispiel Fertigung auf einem 3- oder 5-Achs-Bearbeitungszentrum, müssen Werkstückspannung, Bauteilorientierung und Nullpunktpositionierung selbstverständlich berücksichtigt werden. So lässt sich ein Teil auf einer 3-Achs-Maschine nur von oben bearbeiten. Alle Bearbeitungsblöcke aus Z+-Richtung sind zulässig, alle anderen müssen unterdrückt werden. Für die Komplettbearbeitung müsste in jedem Fall umgespannt werden und es wären nur die relevanten Bearbeitungsschritte herauszufiltern. Bei einer 5-Achs-Fräsmaschine ist beispielsweise nur die Bearbeitung unterhalb des Spannzeugs zu unterdrücken.
Sollte eine spezielle Aufspannung erforderlich sein, lässt sich das Werkstück mit »CAMsmart« wie gewünscht drehen, wobei die Orientierung der Bearbeitungen automatisch mitgeführt wird. Das Setzen von Sicherheitsrückzugsebenen, die Auswahl des Maschinen-Postprozessors, die Erstellung des NC-Programms und des PDF-Informationsblatts für die Werkstatt (Grafik, Nullpunkt, Werkzeuge, Fräszeiten etc.) lassen sich ebenfalls vollständig automatisieren.
Offene Programmierumgebung für die Automatisierung
Der oben beschriebene Prozess der »automatisierten Produktion mit einem Klick« reduziert die CNC-Programmierung auf ein Minimum, spart sehr viel Zeit und macht auch kleinste Losgrößen rentabel. Dieser Automatisierungsgrad wird nur durch die integrierte grafische Entwicklungsumgebung von »Pictures by PC« ermöglicht. Bereits 1983 mit dem ersten Release der Software bauten die Firmengründer auf die beiden Grundprinzipien offene Systemarchitektur und Programmierbarkeit. Das war und ist auch heute noch die treibende Kraft für zahlreiche vollautomatische Lösungen für unterschiedliche Industriezweige. Damit bietet die CAD/CAM- und Entwicklungsplattform umfassende Möglichkeiten für individuelle Anpassungen und Automatisierung sowie auch für zukünftige Entwicklungen.