Große Anlage, kleiner CO2-Fußabdruck

Artikel vom 7. Februar 2024
Allgemeine Maschinen und Temperiertechnik

Ein Musterbeispiel für die effiziente und nachhaltige industrielle Großkälteerzeugung befindet sich in Ostwestfalen. Dort hat die Craemer GmbH ein neues Werk für die Produktion von Kunststoffbehältern und ‑paletten in Betrieb genommen. Die von L&R projektierten Kälteanlagen im Multi-Megawatt-Leistungsbereich werden mit dem natürlichen Kältemittel Propan betrieben – mit erheblichen Einsparungen an CO2 und Energiekosten.

Die adiabatischen PAD-Kühler für die Temperierung des Hydraulikkreislaufs gewährleisten bei Außentemperaturen bis 35 Grad Celsius eine Kühlung aus der Umgebung ohne externe Energiezufuhr (Bild: L&R).

Die adiabatischen PAD-Kühler für die Temperierung des Hydraulikkreislaufs gewährleisten bei Außentemperaturen bis 35 Grad Celsius eine Kühlung aus der Umgebung ohne externe Energiezufuhr (Bild: L&R).

Kunststoffspritzguss im XXL-Format und mit höchstmöglicher Energieeffizienz − so kann man den Prozess im neuen Werk von Craemer beschreiben. Das weltweit agierende Unternehmen hat im interregionalen Industriegebiet Aurea, das gemeinschaftlich von den drei ostwestfälischen Kommunen Oelde, Rheda-Wiedenbrück und Herzebrock-Clarholz betrieben wird, auf einer Fläche von 17 Hektar ein neues, nachhaltiges und auf die Nutzung regenerativer Energien ausgerichtetes Werk für die Produktion von Großladungsträgern und Kunststoffpaletten in Betrieb genommen.

Im Zentrum der Fertigung des neuen Standorts stehen fünf Maschinen mit Schließkräften von 3200 bis 5500 Tonnen. Entsprechend groß sind die Spritzwerkzeuge und auch die Hydraulikanlagen, die letztlich die Schließkraft aufbringen. Daraus resultiert ein großer Bedarf an Kälte für den Werkzeug- und Hydraulikkreislauf. Das ist schon an den mächtigen Rohrleitungen zu erkennen, die von den Kälteanlagen zu den Maschinen führen.

Beeindruckend sind auch die Leistungsdaten der Kälteversorgung: Drei Kältemaschinen mit einer Kälteleistung von jeweils 500 Kilowatt stellen 12 Grad Celsius kaltes Kühlwasser für die Werkzeugkühlung bereit. Die Kühlung der Hydraulik, die mit einem höheren Temperaturniveau von 35 Grad Celsius auskommt, übernimmt ein Freikühler mit 1900 Kilowatt Leistung. Zur Entlastung der Kältemaschinen für die Werkzeugkühlung ist ein weiterer Freikühler mit einer Kälteleistung von 1500 Kilowatt installiert. Alle Freikühler sind in selbstentleerender Bauform ausgeführt und arbeiten mit 100 Prozent Wasser ohne Glykolzusatz.

Hohe Energieeffizienz

Noch beeindruckender als die schiere Leistung ist die Energieeffizienz der Kälteversorgung. Eine Energiesparfunktion mit hoher Wirksamkeit ist die Regelung der Kondensationstemperatur in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur. Diese Aufgabe übernimmt die von L&R entwickelte »Vari-Kon«-Steuerung. Sie kann bei niedrigen Außentemperaturen für einen um bis zu 40 Prozent reduzierten Energieverbrauch sorgen und gewährleistet auch bei hohen Umgebungstemperaturen eine hohe Leistungsstabilität.

Drehzahlgeregelte Pumpenantriebe gehören nicht nur in großen Leistungsklassen − wie sie bei Craemer realisiert wurden − zu den sinnvollen Optionen. Das bedarfsgerechte Bereitstellen der Kälte am Ort des Verbrauchs spart auch Energie. Zugleich kann das präzise Erreichen der Zieltemperaturen und damit das exakte Temperieren des Werkzeugs die Qualität der erzeugten Produkte steigern und auch die Zykluszahl verringern.

Adiabatische Freikühler

Die für die Werkzeugkühlung erforderliche Kälte kann bei niedrigen bis mittleren Außentemperaturen aus der Umgebung bezogen werden – über eine Winterentlastung. Die drei Freikühler haben eine Kälteleistung von 1500 Kilowatt und können damit die gesamte Kälteerzeugung sozusagen zum Nulltarif übernehmen. Ihre leistungsstarken EC-Ventilatoren sind mit drehzahlgeregelten Lüftermotoren ausgestattet, die bedarfsgerecht geregelt werden.

Aufsicht auf die Freikühler und PAD-Kühler (Bild: L&R).

Aufsicht auf die Freikühler und PAD-Kühler (Bild: L&R).

Eine Besonderheit der Kältetechnik sind die PAD-Kühler, die für die Temperierung des Hydraulikkreislaufs verwendet werden. Diese adiabatischen Freikühler gewährleisten bei Außentemperaturen bis 35 Grad Celsius die Kühlung aus der Umgebung − ohne Zusatzkühlung über eine weitere Kältemaschine oder ähnliches und ohne dass eine externe Energiezufuhr erforderlich ist. Bei einer Kälteleistung von 1900 Kilowatt ergibt sich dadurch eine erhebliche Energie- und Ressourceneinsparung.

Die Vorteile von Freikühlern mit PAD-Systemen liegen unter anderem darin, dass das Besprühungswasser nicht in Berührung mit dem Wärmetauscher kommt, dass kaum Aerosole in die Umgebungsluft gelangen und dass die eingesetzte Wasserqualität relativ vernachlässigbar ist.

Hohe Einspareffekte

Die Summe dieser Maßnahmen spart bis zu 80 Prozent der Antriebsenergie, die bei einer Kälteanlage ohne diese Ausstattungsmerkmale anfallen würde. Die Hauptanteile der Einspareffekte entfallen auf die gleitende Kondensationstemperaturregelung, die Winterentlastung über selbstentleerende Freikühlung und die grundsätzlich energieeffiziente Konstruktion der Kälteanlagen mit natürlichem Kältemittel.

Darüber hinaus haben L&R und Craemer aber auch noch weitere Konstruktionsmerkmale verwirklicht, die zusätzlich Energie einsparen, zum Beispiel durch die Integration der Kälteanlage in andere temperaturgeführte Prozesse.

Im neuen Werk von Craemer stellen drei Kältemaschinen mit einer Kälteleistung von jeweils 500 Kilowatt 12 Grad Celsius kaltes Kühlwasser für die Werkzeugkühlung bereit (Bild: L&R).

Im neuen Werk von Craemer stellen drei Kältemaschinen mit einer Kälteleistung von jeweils 500 Kilowatt 12 Grad Celsius kaltes Kühlwasser für die Werkzeugkühlung bereit (Bild: L&R).

So wird die Wärme, die dem Hydraulikkreislauf im Rücklauf entzogen wird, zu Heizzwecken genutzt.

Natürliches Kältemittel

Ein entscheidendes und keineswegs selbstverständliches Merkmal ist Propan (R290) als natürliches Kältemittel, mit dem die drei Anlagen betrieben werden. Dass die L&R-Ingenieure Propan vorschlugen, hat seinen Grund im Gesamtprofil dieses Kältemittels für die individuelle Anwendung.

Zunächst weist Propan sehr gute Kennwerte in Bezug auf die Umweltauswirkungen auf. Der GWP-Wert (Global Warming Potential/Erderwärmungspotenzial) liegt bei 3, der ODP-Wert (Ozone Depletion Potential/Ozonabbaupotenzial) bei 0. Das heißt: Sollte Propan in die Atmosphäre gelangen, hat das nur minimalen Einfluss auf die Erderwärmung und keinerlei Auswirkung auf den Abbau der Ozonschicht.

Ebenso entscheidend ist: Im Temperatur- und Leistungsbereich der Anlagentechnik von Craemer sind mit Propan hohe Leistungszahlen möglich. Ein guter GWP-Wert wird also nicht durch schlechtere Effizienz der Gesamtanlage »erkauft«. Das ist besonders wichtig bei derart großen Anlagen, bei denen schon geringe Effizienzunterschiede große Auswirkungen auf Energieverbrauch und -kosten haben. Ein weiterer Vorteil ist, dass Propan-Kälteanlagen BAFA-förderfähig sind. Anwender müssen jedoch berücksichtigen, dass Propan brennbar ist. Diese Eigenschaft kann man aber zum Beispiel mithilfe einer Gaswarnanlage gut beherrschen, wie nicht zuletzt zahlreiche von L&R projektierte Kälteanlagen beweisen.

Auf der steuerungstechnischen Ebene wurden auf Wunsch von Craemer ebenfalls aktuelle Technik und diverse Optionen realisiert. Der Betriebszustand der gesamten, von einer Siemens-SPS gesteuerten Anlage wird auf einem Touchpanel visualisiert. Profinet erlaubt die Integration in die IT-Infrastruktur des Anwenders, und bei Bedarf kann zum Beispiel der Service des Anlagenherstellers per Fernwartung Einblick in die Anlagensteuerung nehmen. Messsensoren ermitteln die aufgewendete Kälteleistung.

Fazit

Dass sich bei der Großkältetechnik eine umsichtige Anlagenplanung ebenso rechnet wie die Entscheidung für Energiesparoptionen, zeigt die von L&R erstellte Kalkulation zur CO2-Einsparung. Im Endeffekt werden pro Jahr mehr als 1350 Tonnen CO2 weniger emittiert als bei einer konventionellen Kälteanlage dieser Größenordnung. Der jährliche Energiekostenvorteil liegt im sechsstelligen Bereich.

Das Fazit von Ralf Westermann, Leiter Anlagenplanung und -beschaffung der Craemer GmbH: »Wir sind gut beraten worden. Die Vorgespräche waren angenehm und kompetent, die Montage verlief störungsfrei und beim Dichtigkeitstest hat die Anlage sehr gute Ergebnisse erzielt.« Inzwischen ist die Anlage rund um die Uhr in Betrieb und hält auch eine Reserve für mögliche Kapazitätserweiterungen bereit.

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